Casino, wie Einheimische auf Kuba den Tanz nennen – “Salsa” gibt es hauptsächlich zum Essen bzw. als “el baile de las hoteles” für Tourist:innen -, ist als Paartanz ab Mitte der 1950er-Jahre allmählich aus der zunächst aus dem kubanischen Son entstandenen Rueda de Casino hervorgegangen. (Die verschiedenen Salsa-Stile, auch Salsa Cubana, haben sich hingegen erst in den 1970er-Jahren in den USA als Kombination aus Ballroom und Latino-Einflüssen (vor allem Puerto Rico) herausgebildet und wurden von dort dann in die ganze Welt exportiert).
Besonders charakteristisch für Casino sind der kreisförmige Grundschritt (guapea) sowie das gemeinsame Tanzen rund um den Partner/die Partnerin, wobei der Hauptakzent der Schritte sich nach vorne (in Gehrichtung) orientiert. Damit bietet Casino auch einen deutlichen Kontrast zu den linearen Schrittmustern der ab den 1970er-Jahren außerhalb Kubas entstandenen Salsastile.
Seit einigen Jahren treten – vor allem bei Timbamusik – im Casino auch längere offene Sequenzen (ohne Handhaltung) mit zur Musik passendem Reggaeton-, Rumba- oder Afrostyling in den Vordergrund.
In den Freizeitzentren und Tanzsälen Havannas entwickelte sich in den 1950er-Jahren der Kreistanz Rueda de Casino, bei dem Paare sich zu angesagten Figuren im Kreis bewegen und dabei häufig untereinander Partner wechseln. Rueda de Casino ist somit ein Paartanz in Kreisaufstellung.
Damals wurden unter Einbeziehung der beliebten Tänze und Musik der betreffenden Zeit, vor allem Son und Chachachá, sogenannte Ruedas (Tanzkreise) gebildet, in denen die Partner gemeinsam im Gleichklang Figuren tanzten und dabei in dynamischer und kreativer Form Partner tauschten. Dieses neue Tanzphänomen tauchte zunächst insbesondere im El Club Casino Deportivo als konzeptionell neuer Tanzstil auf. Man forderte einander daher zunehmend dazu auf, einen Kreis zu bilden und “wie im Casino” zu tanzen. Der Name blieb hängen, und nach und nach wurde daraus: “komm, tanzen wir Casino”. Wann dann damit begonnen wurde, Casino auch außerhalb des Ruedaformats im Paar zu tanzen, ist nicht bestätigt; daran kann sich niemand so genau erinnern.
Tanzen, und ganz besonders lateinamerikanisches Tanzen, besteht nicht nur aus einer Abfolge erfolgreich abgespulter Figuren, sondern vor allem auch aus gekonntem, zur Musik passenden Bewegen des eigenen Körpers. Was kubanischen Kindern diesbezüglich schon in die Wiege gelegt wird, müssen wir uns vielfach erst viel später antrainieren.
Angefangen von Isolationsübungen für einzelne Körperteile wie Schultern, Hüften, Brust oder Torso, geht es dabei um harmonische Bewegungskoordination der verschiedenen Körperteile im Einklang mit Grundschritten, Schrittfolgen und Musik, um gezielte Armbewegungen und gekonnte Drehungen, die das eigene Körpergefühl erhöhen und dadurch das Tanzen bereichern und auch gut aussehen lassen.
Beispielvideo: Yusimi Moya Rodriguez
Sowohl als eigenständiger Tanz als auch als wesentliches Element des populären kubanischen Tanzstils Salsaton ist Reggaeton (in seiner kubanischen Ausprägung Cubaton oder Reparto genannt) in Kuba weit verbreitet und vor allem bei der jüngeren Generation sehr beliebt. Die Musik hat ihre Wurzeln in Reggae, Dancehall, Hip Hop und anderen lateinamerikanischen Rhythmen. Kubanische Künstler:innen vermischten den ursprünglichen Reggaeton in weiterer Folge mit kubanischen Musikrichtungen wie beispielsweise Timba, und daraus entwickelte sich der einzigartige, typisch kubanische Sound des Reparto oder Cubaton.
Beispielvideo: Inga Fominykh
Die Rumba bezeichnet ursprünglich ein geselliges Zusammensein mit Begleitmusik. Als Komplex aus Tanz, Gesang und Perkussion entstand sie im 19. Jahrhundert in den Schwarzenvierteln der kubanischen Hafenstädte Havanna und Matanzas, wurde aber auch in den Zuckerrohrplantagen praktiziert. Sie ist ein rein weltliches Genre, dessen Trommelbegleitung und Melodik aus afrikanischen Wurzeln genährt werden.
In der Rumba gibt es drei traditionelle Genres, die sich im Tempo, der verwendeten Clave und dem Tanz selbst unterscheiden.
Im Yambú ahmen die beiden Tänzer alte Leute oder einen alten Mann mit junger Frau nach. In dieser ältesten Form der Rumba gilt – im Gegensatz zum Guagucancó: „En el yambú no se vacuna“ („im Yambú wird nicht geimpft“).
Im ebenfalls pantomimischen Guaguancó verkörpern Mann und Frau Hahn und Henne, wobei der Mann durch Flügelschlagen oder Staubaufscharren Avancen auf die Frau macht, die sich durch ihren Rock, ein Tuch oder simples Abwenden schützt. Der Tanz gipfelt im „Impfen“ der Frau („vacunao“) mit entsprechenden Bewegungen der Hüfte oder anderer Körperteile.
In der deutlich schnelleren, bisweilen auch akrobatischen und von anderen afrokubanischen Tänzen beeinflussten Columbia im 6/8-Takt treten statt Mann und Frau der (ursprünglich typischerweise männliche, modern auch weibliche) Solotänzer und der Spieler der Quinto miteinander in Dialog. Hier stellt der Tänzer sich (und seine Männlichkeit bzw. Präsenz und Stärke) zur Schau.
Video: Conjunto Folklórico Nacional de Cuba 2016
Aufgrund der Kolonialgeschichte Kubas konnten die afrikanischen Traditionen auf der Insel bis heute überleben und sich weiterentwickeln. Durch den Körper und dessen Bewegungen wird eine Verbindung vom Menschen zur spirituellen Welt geschaffen, somit sind Tanz und Musik wichtige Mittel der afrokubanischen Kultur und ihrer Rituale.
Da die Religion der (ursprünglich aus Nigeria stammenden) Yorubà auf Kuba am weitesten verbreitet ist, sind auch die Tänze ihrer Götter (Orishas) die populärsten afrokubanischen Tänze. Jede Orisha hat ihren eigenen Rhythmus, ihre eigene Bewegung und Energie, die dem Charakter der betreffenden Gottheit entsprechen.
Die Tänze aus dem Kongo beinhalten Yuka, Makuta und Palo – diese Tänze sind vergleichsweise sehr schnell und energetisch. Darüber hinaus sind auch Ararà, Abakuà, oder Conga weitere Beispiele für die Vielfalt an afrokubanischen Tänzen.
Video: Interpretation der Orisha “Oya” von Yusimi Moya Rodriguez
Son Cubano, in Kuba als „Mutter aller Rhythmen“ angesehen, ist der Vorläufer von Casino, Salsa, Timba, usw. Sowohl als eigenständiger Tanz als auch durch den Einbau verschiedener seiner Elemente im Paartanz oder in der Rueda de Casino bereichert Son die kubanische Musik und Tanzkultur. Getanzt wird dabei – aus europäischer Sicht – „auf 2“ bzw. “contratiempo”, d.h. die getanzten Schritte fallen auf 2-3-4 und 6-7-8, wobei der Akzent jeweils auf den letzten der drei Schritte fällt.
Besonders ins Auge sticht in der traditionellen Variante des Son die aparte Kleidung der Tanzenden, die mit deutlich eleganteren und auch galanteren Bewegungen als im Casino über die Tanzfläche schweben.
Video: Yoannis Tamayo in der Casa de la Trova (Santiago de Cuba) 2009